Verkehrslärm in der Variantenuntersuchung

In der Folge erläutert Michael Hoffmann vom Ingenieurbüro Kocks Consult GmbH dem Dialogforum die Grundlagen der Lärmtechnik und die Methodik der lärmtechnischen Untersuchung im Zuge der Variantenuntersuchung. Die lärmtechnische Untersuchung hat drei Aufgaben:
1. Untersuchung der Auswirkungen der Trassenvarianten auf die Lärmsituation
2. Ermittlung sinnvoller Lärmschutzmaßnahmen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte
3. Festlegung der Lärmschutzmaßnahmen für Trassenvarianten als eines der Bewertungskriterien

Bei den Grundlagen der Lärmtechnik sind bestimmte Begriffe von zentraler Bedeutung. Hierzu zählt die Begriffsunterscheidung zwischen Lärmemission und Lärmimmission. Während Emission die Lärmausstrahlung bezeichnet, die etwa von einer Straße ausgeht, steht der Begriff Immission für die Lärmeinwirkung, etwa auf den Menschen. Je nach Nutzung eines bestimmten Gebietes (z.B. als Wohn- oder Industriegebiet) existieren zulässige Immissionsgrenzwerte. Und mit Isophonen werden Linien gleicher Immissionspegel bezeichnet, mit
deren Hilfe der Einfluss von Lärmquellen auf angrenzende Bereiche auf Karten dargestellt werden. Dem Dialogforum wird erläutert, dass Immissionspegel nicht gemessen, sondern berechnet werden. Dies liegt daran, dass sich die Untersuchung auf den Prognosezeitraum 2030 bezieht, für den keine messbaren Daten vorliegen. Maßgebliche Vorschriften in Bezug auf den Lärmschutz sind unter anderem das Bundesimmissionsschutzgesetz, die DIN 18005 zum Lärmschutz im Städtebau, die Verkehrslärmschutzverordnung 16. BImSchV sowie die RLS-90 mit Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen, die auch die Regeln für die Berechnung der Emissionspegel beinhaltet. Beim Bau von Verkehrswegen gelten für die Berechnung des Verkehrslärms die in der 16. BImSchV aufgestellten Immissionsgrenzwerte. Bei der Linienfindung wird im ersten Schritt versucht, durch eine ortsferne Trasse die niedrigeren Orientierungswerte der DIN 18005 einzuhalten.

Methodisch gliedert sich die Untersuchung in drei Schritte. Zunächst wird für die mögliche Trasse der Verlauf der Grenzwertisophonen ohne Lärmschutzmaßnahmen berechnet. Maßgebende Eingangswerte für die Berechnung der Lärmemissionen nach RLS-90 sind Verkehrsstärken (aufgeteilt nach Pkw und Lkw sowie Tag und Nacht), gefahrene Geschwindigkeiten, Fahrbahnbelag (Asphaltbeton, lärmarme Fahrbahnbeläge), Längsneigung der Trasse und die Topografie. Für die Berechnung der Pegel gilt, dass mehrere einwirkende Schallpegel, etwa von
verschiedenen Verkehrswegen, nicht einfach zusammengezählt werden. Stattdessen erfolgt eine energetische Addition für die Bestimmung solcher Summenpegel, wofür eine logarithmische Formel angewandt wird. Die Verdoppelung der Verkehrsmenge bedeutet so z.B. lediglich einen um 3 dB erhöhten Summenpegel, was für den Menschen einen gerade hörbaren Unterschied darstellt. Eine gefühlte Verdoppelung der Lautstärke entspräche 10 dB.

Sofern die Berechnungen ergeben, dass ohne Lärmschutzmaßnahmen die erforderlichen Immissionsgrenzwerte nicht eingehalten werden können, sind Lärmschutzmaßnahmen gesetzlich erforderlich. Die Abschätzung der erforderlichen Maßnahmen erfolgt als zweiter Schritt jeweils zum Abschluss der Voruntersuchung und der vertieften Untersuchung der Trassenvarianten, wenn diese weiter herausgearbeitet worden sind. Bei den Lärmschutzmaßnahmen ist zwischen aktiven und passiven Lärmschutzmaßnahmen zu unterscheiden. Zu ersteren zählen Maßnahmen an der Trasse selbst (z.B. siedlungsferne Straßenführung, Lärmschutzwände, lärmmindernde Fahrbahnbeläge), mit passiven Maßnahmen wird der Schutz am Ort der Immission bezeichnet,
etwa durch Schallschutzfenster oder Erhöhung der Lärmdämmung von Außenwänden. Für jede Trassenvariante wird abgewogen, welche Kombination an Lärmschutzmaßnahmen für die Einhaltung der Grenzwerte ausreichend und verhältnismäßig ist: Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz hat der Vorhabenträger zu prüfen, ob die Kosten der Lärmschutzmaßnahmen im Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck stehen. Falls die Kosten für aktive Lärmschutzmaßnahmen unverhältnismäßig sind, müsste beispielsweise auf passiven Schutz zurückgegriffen werden.
Für die Höhe der Lärmschutzwände muss berücksichtigt werden, dass die zusätzliche Abschirmwirkung durch eine Wanderhöhung mit zunehmender Höhe sinkt, sodass eine Erhöhung über einen gewissen Punkt hinaus keine signifikante weitere Verbesserung für den Lärmschutz mehr bewirkt. Lärmarme Fahrbahnbeläge können zusätzlich zu Lärmschutzwänden zum Einsatz kommen, um die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte zu erreichen.

In der anschließenden Diskussion wird betont, dass bei den Berechnungen der Grenzwertisophonen immer auch Höhenlagen von Straßen, Brücken, Gebäuden oder Freiflächen berücksichtigt werden, da durch Höhenlagen die Schallausbreitung beeinflusst wird. Zudem kommt die Frage auf, inwiefern Vorbelastungen, etwa durch Flugverkehr und Industrie, in den Berechnungen berücksichtigt werden. Bei der Berechnung für Straßen ist grundsätzlich nur der zusätzliche Verkehrslärm zu betrachten, wobei in Extremsituationen auch eine
Gesamtlärmbetrachtung vorgenommen werden kann. Geschwindigkeitsbegrenzungen, die den Emissionspegel senken würden, werden nicht von vornherein in der Planung vorgeschrieben. Wenn der Lärmschutz für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt wird, hat dies den Vorteil, dass dieser umso effektiver wirkt, falls nach Fertigstellung der Baumaßnahme eine Geschwindigkeitsbegrenzung festgelegt wird. Auf Nachfrage erläutert Herr Hoffmann zudem, dass lärmarmer Fahrbahnbelag teurer und unterhaltsintensiver als Standardasphalt ist, da er weniger haltbar ist und mit der Zeit in der Wirkung nachlässt. Zudem ist er beispielsweise schwierig auf Brücken einzubauen. Deshalb wird seine Verwendung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung abgewogen.
In der Variantenuntersuchung werden lediglich die Eckdaten der Lärmschutzmaßnahmen berechnet. Die letztendliche Entscheidung über die genaue architektonische Ausgestaltung der Lärmschutzmaßnahmen erfolgt erst im Rahmen der Ausführungsplanung. Hierbei achtet Straßen.NRW auch darauf, dass die Gestaltungsentwürfe sich in Natur und Landschaft einfügen.
Herr Kolks erläutert abschließend, dass Bürgerinnen und Bürger laut Verwaltungsverfahrensgesetz eine Neubewertung erreichen können, falls im Nachgang festgestellt wird, dass die ursprünglichen Berechnungen in der Praxis nicht zutreffen.