Dr. Frank Weiser von der Verkehrsingenieurgesellschaft Brilon Bondzio Weiser GmbH hatte dem Dialogforum in dessen erster Sitzung Aufgaben und Ablauf der Verkehrsuntersuchung vorgestellt. Hieran anknüpfend präsentiert Herr Dr. Weiser dem Dialogforum nun erste Zwischenergebnisse.
Die Phase der Bestandsaufnahme und Analyse ist nahezu abgeschlossen. Hierbei gilt es, die aktuelle Verkehrssituation quantitativ zu erfassen und präzise zu beschreiben. Dazu wurden verschiedene Datenquellen ausgewertet. Diese sind gemeinsam mit Straßen.NRW mit dem Ziel ausgewählt worden, möglichst viele Informationen zum Straßennetz zu erhalten. Mit über 500 Vergleichsquerschnitten liegt eine Datenbasis vor, die ein qualitativ hochwertiges Verkehrsmodell ermöglichen sollte. Zum einen wurden über 250 fest installierte Dauerzählstellen ausgewertet, die den Straßenverkehr rund um die Uhr zählen, wobei zwischen Pkw und Lkw unterschieden wird. Aus der Straßenverkehrszählung 2015 stehen 77 zusätzliche Querschnitte für den relevanten
Raum zur Verfügung. Weiterhin wurden 14 Routenverfolgungen durchgeführt, in deren Rahmen nachvollzogen wird, wie der Verkehr ab einem bestimmten Punkt weiterverläuft. Im Autobahnnetz wurden darüber hinaus eigene Verkehrszählungen an 139 Querschnitten durchgeführt, weitere 83 kamen im untergeordneten Straßennetz (z.B. Landes- und Bundesstraßen) hinzu. Auch der rheinquerende Fuß- und Radverkehr wurde durch Zählungen erfasst, wobei neben Brücken auch Fähren berücksichtigt wurden.
Die Bestandsanalyse ist noch nicht komplett abgeschlossen. Das vorliegende Datenmaterial gilt es noch durch die Ergebnisse der Studie „Mobilität in Deutschland (MiD) 2017“ zum Verkehrsverhalten zu vervollständigen. Diese enthält aktuelle, repräsentative und durch Zählungen nicht zu erfassende Aspekte, wie beispielsweise Angaben über den Modal-Split in der Region. Weil die Einzeldaten jedoch noch nicht vorliegen, ergibt sich hier derzeit eine kleine Verzögerung. Herr Dr. Sarikaya bietet in diesem Zusammenhang an, zusätzlich zu den MiD-Daten des Bundes bei Bedarf die vertiefenden regionalen Stichproben zur Verfügung zu stellen. Sobald die zu untersuchenden Planfälle feststehen, kann sich auch die Notwendigkeit ergeben, zusätzliche Zählstellen nachträglich zu ergänzen. Die räumliche Verteilung der unterschiedlichen Zählstellen im Autobahnnetz und im untergeordneten Straßennetz zeigt zwar, dass diese relativ gleichmäßig im Raum verteilt sind. Gerade die Zählstellen im untergeordneten Netz sind jedoch wichtig, um veränderte Verkehrsströme, die sich durch einen Planfall ergeben, kalkulieren zu können. Hier muss gegebenenfalls für die verschiedenen Varianten gezielt ergänzt werden.
Basierend auf dem bisherigen Wissensstand präsentiert Herr Dr. Weiser dem Dialogforum eine grobe, exemplarische Darstellung der aktuellen Verkehrsbelastungen im Umfeld der geplanten Rheinspange. Sie zeigt den durchschnittlichen täglichen Verkehr (DTV, d.h. Kfz pro 24 Stunden) an bestimmten Streckenabschnitten und ist das Ergebnis aus Hochrechnungen auf der Basis der verschiedenen ausgewerteten Quellen. Ein Verkehrsmodell soll eine größtmögliche Übereinstimmung mit der Realität aufweisen und als Grundlage für die Verkehrsprognose 2030 sowie für die Untersuchung von Planfällen und Varianten der Rheinspange dienen. Der Aufbau dieses Modells hat begonnen. Um die Realität möglichst nah abzubilden, muss das Modell kalibriert werden. Sobald die Daten aus der MiD-Studie vorliegen, kann dieser Schritt für die Rheinspange erfolgen. Bei der Kalibrierung werden die Werte aus der Zählung den vom Modell berechneten Werten gegenübergestellt und die Abweichung bewertet. Die Bewertung einer Abweichung allein in absoluten oder in prozentualen Werten ist problematisch, weil die Bedeutung einer Abweichung für die Qualität des Modells eng mit der Verkehrsbelastung zusammenhängt. So kann z.B. bei einer hohen Verkehrsstärke bereits eine relativ kleine prozentuale Abweichung vom Modell problematisch sein. Dieses Problem wird mithilfe eines speziellen statistischen Kennwertes, dem GEH-Wert, gelöst, der die Abweichung des Modells von der Realität anzeigt. Unter anderem mit dessen Hilfe wird das Modell kalibriert, d.h. so angepasst, dass sich diese Abweichungen verringern. In der anschließenden Diskussion kommt die Frage auf, inwiefern die Verkehrsuntersuchung eine Antwort darauf gibt, ob sich eine neue Rheinquerung entlastend auf den Verkehr an den stark belasteten Knotenpunkten auswirkt. Herr Dr. Weiser betont, dass zu den Aufgaben der Verkehrsuntersuchung gehört, darzustellen, an welchen Stellen es zu Entlastungen und Mehrbelastungen kommt, und welcher Ausbaubedarf sich hieraus ergibt. Herr Kolks ergänzt, dass es in der Region neben der Rheinspange zahlreiche weitere Projekte gibt, die zu Veränderungen im Straßennetz führen und in ihrer Wirkung in die Verkehrsuntersuchung einfließen werden, etwa
das Autobahnkreuz Köln-Süd oder den Ausbau der A4.
Auf Nachfrage erläutert Herr Dr. Weiser zudem, dass die Berechnung der Verkehrsbelastungen durch Effekte wie etwa temporäre Sperrungen durch Baustellen beeinflusst wird. Die Planungen müssen dennoch von den erhobenen Daten als Analysefall ausgehen. Diesen Belastungsstand gilt es mit dem Verkehrsmodell abzubilden. Ebenso wie die Analyse nicht zu einem Zeitpunkt durchgeführt werden kann, an dem es keine Baustellen gibt, kann die Prognose nicht antizipieren, welche Störungsfälle im Jahr 2030 vorliegen. Deshalb wird mit dem vorhandenen Datenmaterial geplant, ohne Störungseffekte herauszurechnen. Herr Harzendorf ergänzt, dass die Großbauvorhaben im Raum so koordiniert werden, dass Störungen in einem überschaubaren Rahmen bleiben. Somit existiert auch eine gewisse Steuerungsmöglichkeit. Das Modell erfüllt problemlos seinen Zweck, die verkehrliche Wirkung eines Vorhabens abzubilden.
Im weiteren Verlauf der Verkehrsuntersuchung gilt es, die Verkehrsprognose für 2030 zu erstellen. Herr Dr. Weiser erläutert, welche Entwicklungen in diese Prognose einfließen können. Dazu gehören die allgemeine Verkehrsentwicklung, die wirtschaftliche Entwicklung mit der Anzahl der Arbeitsplätze, die demographische Entwicklung, strukturelle Entwicklungen wie die Ansiedlung großer Verkehrserzeuger sowie Änderungen im Verkehrsnetz unabhängig von der Rheinspange. Die Städte und Gemeinden, die auch in den Begleitgremien zur Rheinspange vertreten sind, wurden für die Ermittlung der Daten bereits kontaktiert. Faktoren, die damit nicht ausreichend abdeckt werden, etwa die Entwicklung des Fern- und Durchgangsverkehrs, müssen auf andere Art und Weise prognostiziert werden.
Herr Dr. Weiser sieht darüber hinaus einen lohnenden Ansatzpunkt für die Beteiligung des Dialogforums darin, zur Ergänzung, Aktualisierung und Spezifizierung das Wissen der Mitglieder noch einmal gezielt abzufragen. Das Dialogforum verständigt sich darauf, dass dessen nächste Sitzung dazu genutzt wird, die letzten Ergänzungen dieser Daten zusammen zu tragen und das weitere Vorgehen bei der Erarbeitung der Prognose zu diskutieren.