Das Seveso-III-Gutachten

Herr Jürgen Farsbotter, zuständiger Gutachter des TÜV Nord, stellt das Seveso-III-Gutachten vor.

Das Gutachten untersucht und bewertet die verschiedenen Varianten hinsichtlich der Verträglichkeit mit umliegenden Betriebsbereichen und des Risikos von Unfällen mit dort vorhandenen gefährlichen Stoffen. Herr Farsbotter führt aus, dass die für relevant erachteten Betriebsbereiche (diejenigen Tätigkeiten, die unter die Seveso-III-Richtlinie fallen, s. S. 13 ff. im Gutachten) bereits in einem vorgelagerten Gutachten ermittelt worden sind. Von diesen Betriebsbereichen können Gefahren infolge von Bränden, der Ausbreitung toxischer Stoffe, Rauchentwicklung und Explosionen ausgehen. Die sich daraus ergebenden Konflikte für die Varianten werden im Gutachten auf einer Skala von eins (kein Konflikt) bis zehn (maximaler Konflikt) eingestuft. Im nächsten Schritt wurde geprüft, inwieweit vorhabenseitige Maßnahmen (s. Folie 24 in der Präsentation), beispielsweise Einhausungen oder dauerhafte Maßnahmen der Verkehrslenkung, zur Konfliktminderung für die einzelnen Varianten geeignet sind. Darauf basierend wurde eine zweite Einstufung auf der obigen Skala vorgenommen. Inwieweit anlagenseitige weitere Maßnahmen in Frage kommen, ist nicht Teil des Gutachtens.

Insgesamt wurden fünf der zwölf Varianten im Detail untersucht: Variante 4B, 6aB, 6aT, 7T und 8B. Die vier weiteren Varianten 3B, 6bB, 5B sowie 11B verlaufen im Umfeld der Betriebsbereiche jeweils identisch mit einer der genannten Varianten und wurden in der Untersuchung daher nicht separat betrachtet. Die Varianten 9aB, 9bT und 10T wurden nicht untersucht, da sie von den Betriebsbereichen so weit entfernt sind, dass sich hier keine für die Seveso-III-Richtlinie relevanten Konfliktbereiche ergeben.

Die nördliche Variante 4B (vergleichbar mit Variante 3B) welche bei Godorf (Anschlussstelle W1) als Brückenvariante den Rhein quert, weist nach Einschätzung des Gutachters insgesamt mit das höchste Konfliktpotential auf. Bei der Anschlussstelle W1 wurden neben den Betriebsbereichen der Evonik Operations GmbH, der Basell Polyolefine GmbH, der Thermischen Rückstandsverwertung GmbH & Co.
KG (TRV), auch die Häfen- und Güterverkehr Köln AG (HGK) untersucht. Die HGK unterliegt zwar nicht der Seveso-III-Richtlinie, weist jedoch nach Einschätzung des Gutachters vergleichbare Gefahrenpotentiale auf. Daher empfiehlt das Gutachten, diese von der HGK ausgehenden Gefahrenpotentiale ebenfalls zu berücksichtigen. Der Konflikt der Varianten 4B wurde auf der Skala mit der Maximalwertung zehn bewertet. Dieses Gefahrenpotential kann durch geplante verfahrenstechnische Verbesserungen der Evonik Wesseling sowie vorhabenseitige Maßnahmen reduziert werden, sodass das Gutachten die Varianten 4B in diesem Fall mit acht Punkten bewertet.
Unter Außerachtlassung der originär nicht der Seveso-III-Richtlinie unterliegenden HGK-Betriebes ist die Variante 4B mit sieben beziehungsweise fünf zu bewerten; unter Berücksichtigung vorhabenseitiger Maßnahmen und verfahrenstechnischer Verbesserungen (Evonik) kann die Variante 4B mit vier beziehungsweise mit drei bewertet werden.

Für die südlicheren Varianten (6aB, 6aT, 7T, 8B) fallen in Wesseling und Niederkassel die Betriebsbereiche der Shell Süd, Evonik Logistics Services und Evonik Functional Solutions unter die Seveso-III-Richtlinie. Neben den Gefahrenpotentialen durch Brand, Ausbreitung toxischer Stoffe und Explosion sind hier auch Risiken im Bereich von Shell Süd durch dichte schwarze Rauchwolken untersucht worden. Ohne Berücksichtigung vorhabenseitiger Maßnahmen bewertet das Gutachten Variante 6aB mit acht Punkten, Variante 6aT mit vier, Variante 7T mit vier und Variante 8B mit fünf Punkten.

Auch diese Konfliktpotentiale können nach Einschätzung des Gutachters durch Maßnahmen reduziert werden: Variante 6aB wird mit fünf bis sechs Punkten bewertet, wenn seitens Shell Süd anlagenseitig Maßnahmen durchgeführt würden und vorhabenseitig Maßnahmen ergriffen werden. Herr Farsbotter betont, dass das Gutachten nur in diesem Fall mögliche anlagenseitige Maßnahmen berücksichtigt
(diese anlagenseitige Maßnahme würde über den Stand der Technik hinausgehen und kann vom Betreiber daher nicht gefordert werden). Die Tunnelvarianten 6aT und 7T werden mit Berücksichtigung vorhabenseitiger Maßnahmen mit einem bis drei Punkten bewertet. Das Konfliktpotential der Variante 8B wird mit einem bis drei Punkten ebenfalls als verhältnismäßig niedrig eingestuft.

Im Ergebnis stellt das Gutachten fest, dass Tunnelvarianten im Hinblick auf die Seveso-III-Richtlinie grundsätzlich konfliktärmer als Brückenvarianten sind. Tunnelausführungen und Einhausungen bei oberirdischer Straßenführung sind geeignete vorhabenbedingte Maßnahmen, um die Konfliktpotentiale zu reduzieren, ferner sind installierte Schranken / Maßnahmen zur Straßensperrung und Umleitung mit Einschränkungen ebenfalls geeignet.

Das Gutachten schätzt einige der südlicheren Varianten der Rheinspange (Variante 6aT, Variante 7T, Variante 8B) insgesamt als konfliktärmer ein als nördliche Varianten mit einer Rheinquerung bei Godorf.

Herr Farsbotter betont, dass aus dem für das Gutachten grundlegenden Artikel 13 der Seveso-III Richtlinie sowie der Leitlinie KAS 18 keine „Bauverbotszonen“ für das Projekt Rheinspange 553 abgeleitet werden können. Die Ermittlung der Gefahrenpotentiale, der daraus folgenden Konflikte im Sinne des Artikels 13 der Seveso-III-Richtlinie und deren mögliche Verminderung durch unterschiedliche Maßnahmen fließen ebenso wie die anderen Belange in den Abwägungsprozess ein.